Gremium weist auf mögliche Probleme bei der Umsetzung des nationalen Klimaschutzgesetzes hin
Der Expertenrat für Klimafragen hat seine jüngste Stellungnahme zum Klimaschutzprogramm der Bundesregierung veröffentlich. Die Analyse legt nahe, dass Deutschland bei der Erreichung seiner nationalen Klimaziele nicht ausreichend vorangekommen ist und weitere Schritte notwendig sind.
Deutschland hat sich 2021 das Ziel gesetzt, die Kohlendioxidemissionen bis 2030 um 65 Prozent zu senken. Das Klimaschutzprogramm sieht rund 130 Maßnahmen vor, mit denen dieses Ziel erreicht werden soll. Allerdings gibt es schon seit der COP27 – die knapp ein Jahr nach der Verabschiedung des Programms stattfand – Zweifel daran, dass damit die deutschen Klimaziele erreichbar sind. Selbst bei voller Umsetzung aller Maßnahmen würde Deutschland nach Meinung der Expertenrat für Klimafragen sein Klimaziel 2030 voraussichtlich um 200 Millionen Tonnen CO2e verfehlen.
Stellungnahme des Expertenrates für Klimafragen
Der Expertenrat hat in seiner aktuellen Stellungnahme seine generelle Einschätzung zum Stand des Klimaschutzgesetzes 2023 veröffentlicht. Nach eingehender Prüfung der von der Bundesregierung vorgelegten Unterlagen erkennt der Rat an, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen einen messbaren Beitrag zu einem wirksamen Klimaschutz leisten könnten. Er äußert jedoch seine Besorgnis darüber, dass die von der Bundesregierung vorgelegte Datenbasis unzureichend sei, was zu "erheblichen Inkonsistenzen und Unsicherheiten" in der Analyse führe. Der Beirat sieht sich daher nicht in der Lage, die von der Bundesregierung erwarteten Wirkungen der nationalen Klimaschutzmaßnahmen zu bestätigen. Gleichzeitig geht der Expertenrat davon aus, dass die zu erwartenden Lücken bei der Erreichung der Klimaziele größer sein könnten als von der Bundesregierung prognostiziert.
In einem zweiten Plausibilitätsbericht, der am selben Tag veröffentlicht wurde, nahm der Expertenrat Stellung zu den Annahmen und Plänen im Rahmen der Sofortprogramme, die zur Reduktion der Kohlendioxidemissionen in den Sektoren Gebäude und Verkehr vorgelegt wurden. Das Gremium prüfte die Pläne in drei Bereichen: Einhaltung der Zielvorgaben, Bewertung der Methodik und Plausibilität. Da beide Sektoren ihre jährlichen Emissionsziele für 2022 überschritten hatten, waren die zuständigen Ministerien aufgefordert, Sofortprogramme zur Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen vorzulegen. Dafür waren für die beiden Sektoren Pläne mit 17 bzw. 50 Maßnahmen vorgeschlagen worden, um die prognostizierten Lücken bei der Klimaziel-Erreichung zu schließen. Der Rat stellte fest, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen zwar geeignet seien, die jeweiligen Treibhausgasemissionen messbar zu reduzieren, allerdings nicht im erforderlichen Umfang.
Weitere Anstrengungen und schlüssiges Gesamtkonzept notwendig
Im Kern konstatiert der Expertenrats das Fehlen eines zusammenhängenden, in sich schlüssigen und konsistenten Gesamtkonzepts und eines übergreifenden Maßnahmenrahmens und sieht damit dringenden weiteren Handlungsbedarf beim Klimaschutzprogramm der Bundesregierung. Während der Expertenrat dem Klimaschutzprogramm wichtige Neuerungen, insbesondere in den Sektoren Industrie, Gebäude und Verkehr attestiert, sehen die Experten dennoch dringenden weiteren Handlungsbedarf bei der Erschließung neuer Klimaschutzpotenziale. Brigitte Knopf, stellvertretende Vorsitzende des WBGU und Generalsekretärin des Mercator Research Institute, kommentiert: „Erforderlich wäre eine Adressierung der Minderungspotenziale aller verfügbaren Handlungsfelder, beispielsweise auch der Abbau klimaschädlicher Subventionen, der bisher nur vage formuliert wird.“
Über den Expertenrat für Klimafragen
Der Expertenrat für Klimafragen ist ein unabhängiges Gremium von fünf sachverständigen Personen verschiedener Disziplinen. Er wurde im September 2020 benannt und sein Auftrag ergibt sich aus §§ 11 und § 12 KSG. Das Gremium besteht aus den fünf Mitgliedern Prof. Dr. Hans-Martin Henning (Vorsitzender), Dr. Brigitte Knopf (stellvertretende Vorsitzende), Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge, Prof. Dr. Thomas Heimer und Dr. Barbara Schlomann. Neben weiteren gesetzlichen Aufgaben prüft der Expertenrat gemäß § 12 Abs. 2 KSG die bei Zielverfehlung zu beschließenden Maßnahmen im Hinblick auf die diesen zugrunde liegenden Annahmen zur Treibhausgasreduktion und gibt gemäß § 12 Abs. 3 KSG vor dem Beschluss eines Klimaschutzprogramms eine Stellungnahme ab.
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